Die Büchse

Hier kann z.B. die Diskussion Corsaro 1200 vs. Tremezzo vorgesetzt werden.....
Harald aus den Bergen
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Die Büchse

Beitrag von Harald aus den Bergen »

Am Freitag, 7. März, lief im ARTE die Rekonstruktion der Ereignisse im Kontrollraum von Fukushima (und darum herum). Wer das nicht gesehen hat und dafür Interesse hat, kann es auf ARTE+7 noch sechs Tage sehen. Der Film Fukushima - Chronik eines Desasters hat 48 Minuten.

Für mich ist die zentrale Frage angesichts von Katastrophen, was daraus zu lernen wäre.
Können wir Europäer aus Fukushima etwas lernen? Sollen wir das überhaupt?
Einerseits war dies eine außergewöhnliche Naturkatastrophe. Aus einer solchen können nur regional Betroffene lernen. Das betrifft eine(n) Mitteleuropäer(in) also nicht. Lässt sich andererseits aus den Vorgängen – und dabei hat mir dieser Film wesentlich geholfen – eine allgemeine Erkenntnis ableiten?
Ich denke ja. Meine Ansicht ist nun gefestigter als zuvor.

Die Büchse der Pandora ist schon lange offen, kann aber von uns wieder geschlossen werden!
Eine kleine Geschichte meiner Zeit.
Ich kann mich noch gut an einen Tag, kurz vor dem Volksentscheid gegen das Österreichische Atomkraftwerk Zwentendorf am 5. November 1978 erinnern. Ich war gerade in das damals gültige Wahlmindestalter eingetreten gewesen.
Mein Cousin Peter hatte mich zu seinem Halbbruder Thomas mitgenommen. In der folgenden Gesprächsrunde war ich einbezogen. Die allgemeine Tendenz war damals an diesem Nachmittag eindeutig gegen die Inbetriebnahme gerichtet. Das war mir recht unverständlich. Ich war überzeugt, dass wir Techniker – ich bezeichnete mich damals schon so, und tue das heute noch – diese umfangreiche Technologie beherrschten. Das artikulierte ich dann letztlich auch.
Ich erntete eine deutliche Abfuhr und fühlte mich danach unverstanden. Die folgende Stilllegung betrachtete ich als kostspieligen Fehler.
Es kam der April 1986. Während die Katastrophe über Tschernobyl herein brach, besuchte ich eine technische Abendschule. In dieser Zeit der intensiven Persönlichkeitsbildung wurde ich vom Saulus zum Paulus.
1998, 12 Jahre danach und vom Super-GAU 1300km entfernt, war die Belastung bei bayerischem Schwarzwild, nach amtlichen Messungen noch bis 65.000 Bq/kg Fleisch. Strahlenquellen kumulieren im Körper! Heute ist „Tschernobys“ Cäsium erst zu 50% zerfallen und liegt u. a. in Deutschland, Österreich, Tschechien und der Slowakei in obersten Bodenschichten.

Ohne mich aus der Retrospektive mit Details beschäftigen zu wollen, denke ich, dass damals, 1986, vor allem Menschliches Versagen ursächlich war.
Gibt es also letztlich keine Verbindung, keine allgemeingültige Einsicht, die beide Katastrophen, Fukushima und Tschernobyl verständlich macht?
Meines Erachtens gibt es die. Die Aussagen der direkt involvierten Techniker, im genannten Film tritt nur einer persönlich vor die Kamera, sind eindeutig. Auch hier haben Menschliche Fehler(*) die Katastrophe zumindest beschleunigt. Ein einziger Rohrleitungsschieber, manuell geöffnet, hätte mindestens sieben Stunden Verzögerung gebracht und damit die Chance auf weitere kurzfristige Maßnahmen eröffnet.
Nimmt man die Fakten (aus dem Film – dazu ließe sich sicher weiter recherchieren) eins zu eins, dann war die Nuklearkatastrophe sogar vermeidbar.

Somit sind für mich beide Katastrophen nur Symptome ein und derselben Problematik.
Der Menschliche Faktor ist nicht kalkulierbar, nicht vermeidbar.
Die Folgen einer Nuklearkatastrophe sind überregional irreparabel und endgültig.
Deshalb ist m. E. diese Technologie der Griff des Ikarus nach der Sonne.

Wir dürfen das den Kindern nicht antun.
Ich würde eine Einwendung gegen Tschechiens Atompolitik unterzeichnen, wäre ich deutscher Staatsbürger. Leider lagen diese Unterlagen in Österreich nur während der Amtszeiten in diversen Ämtern auf. Mir fleissigen Zeitungsleser war das nicht bekannt. Ein zeitgemäßes Online - Einsichtsverfahren gab es nicht.

(*) Menschliche Fehler sind Symptome von tieferliegenden Fehlern im System. Um Versagen zu erklären, sollte man nicht nur danach suchen, wo Menschen Fehler gemacht haben. Man muss auch danach suchen, warum die Einschätzungen und Handlungen von Menschen in der gegebenen Situation Sinn zu ergeben schienen. Q: Wikipedia
Bonne Route, Harald

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MonstroMorini
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Beitrag von MonstroMorini »

Habe die sendung gesehen, lief auch bei uns in nl.
Ich finde es schwierig..... da wir in nl mal wieder verarchst werden (wie ueberal). Unsere kernzentralen sind geschlossen, ausser bei Petten (wo nur uran verreicht wird zur medizinale zwecken). Viele leuten haben ein zg. "gruenen"strom kontrakt, leider wird diese saubere strom zur haelfte in kernreaktoren ins ausland aufbereitet und dann ueber das stromnetz importiert.... Eine meiner kunden ist stromlieferant - wir haben ein hochbelastungstest-system fuer sie gebaut...
Und dazu kommt noch dass unsere kueste, die einzige stelle in nl wo ich weiter als ein paar hundert meter in die ferne schauen kann ohne ein gebaude zu sehen, versaut ist von windmuehlen, die die ganze horizont verderben.
Genug geklagt....

Meine ueberlegungen:
Atom energie - nein - weil wir dass nicht voll im griff haben oder bekommen, zb restmuehl oder eben fukushima. Aber ueberhaupt kein atomenergie? Auch nein, da ich finde dass man jedenfalls wissen muss wie mann es macht.... da die "anderen" noch voll auf diese technologie setzen und wir dass dan selber vielleicht doch besser/sicherer machen koennen, oder jedenfalls "kontrolieren" koennen.
Dass es so nicht weiter geht ist wohl auch klar, oel ist zu teuer und die klassische verbrennungstechnologie hoffnungslos veraltet. Hat hoechstens nostalgie-wert.
Aber sonnenenergie fallt aus in holland :wink: , windenergie ist genuegend da aber versaut meine wohn-umgebung. Was bei uns sicher moeglich ist, aber leider viel zu wening genuetzt, waere ebbe und fluss (am meer) zu nuetzen, das geht auch unter wasser und fast unsichtbar.... Geht in oesterreich vielleicht weniger gut ;)
Und ein bisschen atomenergie muss (leider) auch sein - meine ich, da (speziel) nl immer der bravste schuljunge ist, aber unsere nachbarn einfach und opportunistisch machen was sie wollen Und abhaengig von andere, nicht immer stabile regierungen, sind wir schon genug.
Greetz,
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michiG
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Beitrag von michiG »

Hallo zusammen,

grundsätzlich gilt, dass jedes Atomkraftwerk, dass nicht gebaut wird, keinen Müll liefert, mit dem wir nicht umgehen können und auch nicht explodieren kann.

Das Problem liegt aber meines Erachtens eher darin, dass die Staaten national denken, während die Konzerne international handeln. Und sie handeln nach dem Prinzip der Geldvermehrung - logisch - wie auch sonst.

In Deutschland hat man das auch versucht und die Netze verkauft. Jetzt stehen die Norddeutschen vor dem Problem, dass die Windparks offshore bereits Strom produzieren könnten, aber der ausländische Besitzer den Anschluss an die Netze nicht voran getrieben hat. Es geht darum, Geld zu verdienen und nicht darum, Menschen mit Strom zu versorgen. So ist das leider mit allen Großprojekten. Jeder Verzug generiert Geld und garantiert den Beteiligten ihre weitere Existenz (Als Hamburger ist das wunderbar an der Elbphilamonie zu sehen.).

Das die niederländische Wirtschaft da fleißig mitmischt und längst nicht immer der "Brave Schuljunge" ist, sollte klar sein.

Mir persönlich kommt immer wieder die Galle hoch, wenn ich mitbekomme, wie diese wirtschaftlichen Interessen vorbereitet werden. Da werden nur bestimmte Wissenschaftler in Ausschüsse geladen, obwohl bekannt ist, dass es große Kontroversen in ihren Reihen gibt. Tieflagerung von Schadstoffen? Salzstöcke sind sicher! Aus der Asse wird niemals Wasser austreten usw. Das Ende vom Lied ist, dass sich die verantwortlichen Politiker auf den Standpunkt stellen, sie hätten nur auf ihre Experten gehört - wohl wissend, dass sie alle gegenteiligen Äußerungen komplett ignoriert haben. Das passiert gerade auch mit Windrädern, wo es viele inovative neue Ansätze gibt, die weder Schlagschatten, tote Vögel oder Lärm verursachen.

Sicherheit sollte nicht von wirtschaftlichen Interessen abhängig sein. Das sollte besonders mir als Motorradfahrer klar sein. Wenn ich ein Risiko eingehe, will ich zumindest in der Situation sein, das Für und Wider abwägen zu können.

Und genau das kann ich in Sachen Strom und dessen Erzeugung bzw. Verteilung nicht mehr. Wieviel Atomstrom brauchen wir wirklich?

Die Verstrickungen von Politik und Wirtschaft, die sich daraus ergebenden Besitzverhältnisse und die geschlossenen Verträge mit ihren (Ausnahme-) Regelungen sind für mich nicht so nebenbei durchschaubar. Und so kaufe ich wider besseren Wissens Ökostrom und mache ein freundliches Gesicht, wenn mir wieder einmal einer meiner ökologisch, nachhaltig, gender, usw. orientierten Kollegen erklärt, dass es für mich endlich an der Zeit sei, etwas für meine Ökobilanz zu tun und meine stinkige, veraltete 3 1/2 gegen ein modernes Autowunder auszuwechseln.

Lieben Gruß
michi

p.s. Lieber Achim, ich verspreche demnächst wieder Beiträge zum Thema Motorrad zu liefern und hier nicht das Forum artfremd voll zu machen. Ganz lieben Gruß!

p.p.s Wer Lust hat Näheres zu den Norddeutschen Winparks nachzulesen:

http://www.ndr.de/regional/niedersachse ... at133.html

http://www.stromseite.de/strom-nachrich ... 32483.html

http://blogs.faz.net/adhoc/2012/02/22/d ... parks-386/
corsacorsaro
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Beitrag von corsacorsaro »

Habe die Sendung ebenfalls gesehen und war wiederum entsetzt wie unfähig die Hightech Japaner waren.
Wir leben hier bei Braunschweig zentral im "Atomklo Europas".
Das alte DDR-Endlager Morsleben, knapp 20 Kilometer Luftlinie.
Das Endlager Salzgitter, "Schacht Konrad", 10 Kilometer Luftlinie.
Das Vermutliche Endlager Schacht "Asse II", 7 Kilometer Luftlinie.
Nicht zu vergessen Gorleben in 100 Kilometern Entfernung.
Wir wurden in 4 Jahrzehnten der "Forschung", Anbahnung von Lagerungsprozessen, Ordnungsverfahren und versuchter Schließung eines Endlagers als "altem Bergwerksschacht" (nach Bergrecht statt Atomrecht), belogen und betrogen.
Der Dreck liegt hier und wäre einfach sang- und klanglos unter der Erde verschwunden, wenn es nach den Betreibern gegangen wäre.
Nun wird fieberhaft in der Asse danach gebohrt, aber nichts gefunden!!! Vermutlich ist der Müll in verrosteten Fässern vom Bergdruck in den zurückliegenden Jahren seit 1978 zerdrückt und verschoben worden. Vielleicht ist die Kammer gefüllt mit dem Müll, mit Salz vermengt, unauffindbar, nur noch ein paar Meter dick, "abgetaucht".
Wahrscheinlich lässt es sich nicht mehr bergen, wie politisch versprochen und beschlossen, nachdem es wegen der skandalösen Verfahrenslügen massiven Protest gegeben hatte. Das 100jährige Bergwerk stürzt zeitgleich langsam ein! Irgendwann ist der Zugang nicht mehr möglich.
Das Wasser ist in Gefahr, weil jeden Tag mindestens 13000 Liter durch das marode Lager hindurchfließen.
Die Bergung würde, wenn denn noch etwas zum Bergen gefunden wird, frühestens 2033 begonnen. Und der Dreck in einem ungeschützten Zwischenlager abgelegt bis er vermutlich im dann erweiterten "Schacht Konrad" gelagert werden kann.
Das Ganze ist ein derartiges Desaster an Unfähigkeit, rücksichtsloser Lügerei und Ignoranz. Wir haben hier die Faxen dicke!
Wer weiter Atomstrom haben will soll bitte die inzwischen wertlosen Häuser am Asserand kaufen und gefälligst hierher ziehen. Dann kann er sich hautnah mit den Risiken bekannt machen und die belogenen und quasi enteigneten alteingesessenen Hausbesitzer raushauen. Ändert zwar nichts an der Gesamtlage, verteilt aber das Risiko ein wenig präziser auf die Nutznießer und Befürworter.
Mittlerweile haben wir hier auch ziemlich viele von den neuen Luftradspargeln stehen. Trotz der Probleme mit dem Atommüll denken auch hier noch einige Träumer, dass der Strom aus der Steckdose kommt und die Spargel bitte nicht die Landschaft verunzieren sollen, sondern doch lieber woanders aufgestellt werden.
Dirk
Immota fides. Nec aspera terrent
Harald aus den Bergen
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Beitrag von Harald aus den Bergen »

Da ich kein Lesegebot kenne, es wird wohl auch hier keines geben, poste ich gelegentlich halt auch "artfremd".

Dirk, du bist (offensichtlich) ein direkt Betroffener. Wir alle anderen unterliegen lediglich dem - menschlich verständlichen, und von der Atom-Industrie bzw. deren gut bezahlten Fachleuten weidlich ausgenützten - Trugschluss:

Seh ich nicht, ist weit weg. Kratzt mich nicht. Das meine ich nicht vordergründig sondern im übertragenen, psychologisch begründeten Sinn.
Tschernobyl war weit weg. (~1300km)
Das ist so ähnlich wie ein Gipsfuß und eine Psychose im Vergleich. Der Gipsfüssige erntet immer Mitleid und gelegentlich Autogramme.
Der mit der Psychose wird regelmäßig von der Kasse überprüft, er könnte ja ein Simulant sen.

Tschernobyl - da haben wir, 28 Jahre danach, noch Glück gehabt, Pilze soll man halt nicht zu viel vertilgen, wenn man noch keine 40 ist.
Das halb verrottete Isar II ist ja glücklicherweise jetzt im Down. (Dessen Gefahr natürlich noch immer evident.)
Und die Strahlenquellen sowieso noch lange.


Was ist mit Dukovany? Wie weit ist das Luftlinie zu DIR, der du das liest, weg?
Gut dass es auch sowas wie die Spezziale gibt. Natürlich auch ein Irrsinn, nach dem Oilpeak, aber ein sympathischer halt.
Bonne Route, Harald

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